Wie ein Habit entsteht
Ein Habit ist ein Verhalten, welches in bestimmten Alltagssituationen wiederholt stattfindet. Dabei gibt es Auslösereize, welche über Belohnungen entstehen und das Habit initiieren. Die Durchführung erfordert nur ein geringes Maß an kognitiver Energie, da sie stärker automatisiert ist als Verhaltensalternativen. Habits sind dabei sowohl als identitätsformend wie auch -repräsentierend anzusehen.
In seinem Buch Atomic Habits definiert James Clear vier Phasen eines Ha- bitloops (S.66):
1. Auslösereiz
Ein Auslösereiz ist ein Signal, welches ein Verlangen erzeugt. Beispielswei- se ein Objekt (Basketball, Handy, Schokolade), eine Alltagssituation (Auf- wachen, Feierabend, Auf dem Sofa sitzen) oder gar eine Emotion (Stress, Überforderung, Freude). Diese Auslösereize sind nicht allgemeingültig, sondern individuell: Eine Zigarette löst kein Verlangen bei Anne aus, wohl aber bei Bernd. Bernd ist durch einen Verstärkerprozess gegangen, der die Zigarette zu einem Auslösereiz gemacht hat, Anne nicht.
2. Verlangen
Ein Auslösereiz löst im Grunde zwei Verlangen auf einmal aus: Das Verlan- gen nach der Belohnung, welche Sie durch ein bestimmtes Verhalten erhal- ten. Und das Verlangen nach dem Verhalten oder Objekt, welches Sie zu dieser Belohnung führt:
Bernd ist nach der Vorlesung erschöpft und sagt, er brauche jetzt unbe- dingt eine Zigarette. Es verlangt ihn danach, eine Zigarette aus der Schach- tel zu nehmen, Sie anzuzünden und dran zu ziehen. Aber dieses Verlangen nach dem Objekt und der Tätigkeit ist nur dazu da, die Handlung zu initiie- ren, welche die eigentliche mentale und körperliche Belohnung bringt: Ein Gefühl der Entspannung und Klarheit beim Rauchen. Interessant ist, dass Bernd zu Beginn des Verhaltens sagte, er brauche eine Zigarette. Er sagte nicht, er brauche Entspannung.
3. Reaktion
Auf das Verlangen reagieren wir mit der Handlung, welche die Belohnung bringt. Bernd geht auf den Hof und zündet sich eine Zigarette an.
4. Belohnung
Das Verlangen nach der Belohnung wird gestillt, indem diese einsetzt: Bernd fühlt sich während des Rauchens zunehmend entspannter und klarer. Der Auslösereiz, das Verlangen und die Reaktion werden über die Belohnung verstärkt.
Ein wesentlicher Grund für die Entstehung eines Habits ist die Belohnung am Ende des Prozesses. Beim ersten Mal existiert kein spezifischer Auslösereiz und es besteht nicht unbedingt ein Verlangen. Beides wird viel- mehr erst durch die konsequente Belohnung geschaffen: Nehmen wir an, Sie probieren ein Computerspiel aus. Dieses verschafft Ihnen nicht nur eine Mixtur positiver Emotionen über das Spielerlebnis, sondern befreit Sie zusätzlich für einige Zeit aus einem komplexen und stressigen Alltag. Die Belohnung ist also vielschichtig und tiefgründig. Und sie wiederholt sich für jede Spielesession. Stückweise werden nun Auslösereize aufgebaut, die wiederum ein Verlangen nach sich ziehen: Sie sehen das Computerspiel, oder auch nur den Computer und spüren das Verlangen, das Spiel zu spielen. Vielleicht ist akuter Stress inzwischen auch zum Auslöser gewor- den, oder das Gefühl von Überforderung.
Beachten Sie, dass Sie durch einen individuellen Prozess gegangen sind, der Ihnen ein individuelles Habit brachte. Eine Freundin, die das Spiel noch nie gespielt hat, wird anders auf dieses reagieren. Es ist kein Auslöser für sie und erweckt auch kein Verlangen in ihr. Vielleicht wäre sie auch nie durch solch einen Prozess gegangen, weil das Spiel andere Emotionen in ihr erzeugt hätte. So sind wir unterschiedlich anfällig für unterschiedliche Habits, je nachdem welche Belohnungen sie uns bescheren. Zwar können wir keine Belohnung gestalten, die auf alle den gleichen Effekt hat. Doch sind viele Produkte unbestreitbar darauf ausgelegt, einen ähnlichen Effekt auf viele zu haben und ihre Nutzer vielschichtig und tiefgründig zu beloh- nen. Überlegen Sie, was ein Computerspiel emotional liefern kann: Erfolgserlebnisse, ein Gefühl der Bedeutsamkeit, ein Gefühl des Vorankommens, Spannung, Aufregung, Ausleben von Fantasien...
Belohnungen bringen Sie dazu, ein Verhalten zu wiederholen. Viele Wiederholungen sorgen dafür, dass das Verhalten im Kontext seines Auftretens gewöhnlich wird. Es entsteht ein Habit.
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