Wahrheit als Grundlage sinnvoller Handlungen

Objektive Wahrheit = Die Wahrheit, wie sie ist.
Subjektive Wahrheit = Was jemand für die Wahrheit hält.

Stellen wir uns fiktiv zwei Personen vor, die wir Miss Perfect und Mister Random nennen. Wir statten Miss Perfect mit der Superfähigkeit aus, auf die objektive Wahrheit zuzugreifen. Ihre subjektive Wahrheit sei also eine perfekte Kopie der objektiven Wahrheit. Nun statten wir Mister Random so aus, dass seine subjektive Wahrheit mit der objektiven Wahrheit eine Schnittmenge von so gut wie null hat. Alles objektiv richtige, was Mister Random kennt, sind die Regeln des Schachs.

Nun lassen wir beide eine Partie Schach gegen den mehrfachen Weltmeister Magnus Carlsen spielen. Schauen wir uns an, auf welche Informationen Miss Perfect zugreifen könnte, bevor sie einen Zug spielt.
Sie wüsste:

  • welche Züge in welcher Reihenfolge jemals auf einem Schachbrett gespielt wurden.
  • welche Züge Magnus Carlsen häufig spielt und zu welchen Ergebnissen dies führte.
  • was Magnus Carlsen bei seinem momentanen Zug denkt - und was er je gedacht hat.
  • welche Züge von Schachcomputern mit welcher Gewinnchance bewertet werden.
  • welche Strategien im Schach existieren und wie Stellungen bewertet werden.
  • welche psychologischen Aspekte sich auf Schach in welcher Art auswirken.
  • und… und… und…

Mister Random hingegen kann definitionsgemäß nur auf die Regeln des Schachs zugreifen. Auf dieser Basis ist er gezwungen, einen zufälligen Zug machen. Er kann keine sinnvollen Überlegungen anstellen, wenn er kein Wissen hat, welches Fragmente objektiver Wahrheit enthält. Vielleicht denkt Mister Random, dass die Figuren rot sind und man sie deshalb abwechselnd anspielen sollte. Das könnte seine subjektive Wahrheit sein. Doch da die Schnittmenge mit der objektiven Wahrheit annähernd 0 ist, hat diese „Strategie“ keinen Wert. Sie ist den Zügen eines Zufallsgenerators nicht überlegen. Die Qualität seiner Information ist 0, denn sie hat bezüglich der erzielten Resultate den gleichen Wert wie gar keine Information.

Währenddessen hat Miss Perfect Zugang zu allen wahrhaftigen Informationen der Welt, die Qualität Ihrer Information ist unendlich hoch. Sie kann in jeder Situation die jeweils beste Entscheidung treffen. Sie könnte einen Investmentfond aufbauen, ein Buch schreiben oder eben Schachspielerin werden - und Sie wäre in allen Szenarien extrem erfolgreich. Die Qualität ihrer Informationen öffnet ihr die Welt.

Würde sie also die fiktive Partie Schach gegen Magnus Carlsen gewinnen? Wenn Sie Natürlich! gedacht haben, so würde ich ein Nicht zwangsläufig! entgegenhalten. Sie hat durch ihr Wissen die Möglichkeit, 100 von 100 Spielen gegen Magnus Carlsen zu gewinnen. Doch sie gewinnt nur dann, wenn sie sich auch dazu entschließt und durch nichts daran gehindert wird. So könnte sie sehr fiktiv dem Zwang unterliegen, Magnus Carlsens Gefühle nicht verletzen zu wollen. Oder sie hat eine Risikosucht und kann nicht anders, als willentlich schlechte Züge zu spielen, um es spannend zu halten.

Und dies ist ein wichtiger Punkt: Die Güte der Informationen von Miss Perfect geben ihr einen riesigen Vorteil. Aber dieser Vorteil nimmt nicht vorweg, ob sie ihn auch in gute Entscheidungen und Ergebnisse umwandeln kann. Oder anders: Es ist kaum vorstellbar, dass Miss Perfect die Sache vermasselt, aber nicht unmöglich.

Was haben Mister Random und Miss Perfect nun mit Ihnen zu tun? Wie besprochen hat Mister Random keine Schnittmenge zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit, während bei Miss Perfect beides in Deckung ist. Wenn wir nun von Mister Random ausgehend die Schnittmenge zwischen den beiden Wahrheiten stückweise erhöhen, so werden wir irgendwann auf dem Weg zu Miss Perfect Ihre Situation vorfinden: Sie haben nicht so wenig Ahnung von der Welt wie Mister Random, aber auch nicht so viel wie Miss Perfect.

Ihre Aufgabe besteht nun darin, die Deckung zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit stückweise zu erhöhen und sich dem Zustand von Miss Perfect zu nähern. Denn dies erhöht die Qualität der Informationen, auf deren Basis Sie Entscheidungen treffen. Wenn Sie die Welt in Wahrheit modellieren, schaffen Sie die Voraussetzung für sinnvolles Handeln in ihr.


Lassen Sie mich Morpheus Worte an Neo nutzen, um meinen Punkt zu machen: Bedenken Sie aber, dass modellierte Wahrheit Ihnen nur die Türen zur Welt öffnet. Hindurchgehen müssen Sie selbst.


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