Think effect, not intent

Betrachten wir drei Geschichten:

  1. Als sich herausstellt, dass Simone keine Kinder kriegen kann und sie sich ihrer Mutter offenbart, hat diese Mitleid. Tagtäglich versucht Simone für ihre Tochter dazusein. Sie nimmt sie in den Arm, schaut sie verständnisvoll an und versucht Simone abzulenken, wenn Kinder an ihnen vorbeigehen.
    Kurze Zeit später zieht die Tochter aus.
  2. Um die Schwerhörigkeit der Mutter zu kurieren, tagt ein Familienrat. Bis auf die Mutter wollen alle, dass sie ein Hörgerät nutzt. Es entsteht Druck, woraufhin die Mutter sich gegen jedes Argument sperrt und trotzig behauptet, sie sei nicht schwerhörig. 
  3. Eine Freundin war in ihrer Beziehung verunsichert, ihr Freund verhielt sich zunehmend distanziert. Sie will verstehen, was los ist und die Nähe wiederherstellen. Sie versucht mehr Zeit mit ihm zu verbringen und ihn zur Kommunikation zur bewegen. Er distanziert sich weiter, sie klammert.
    Er trennt sich.

In allen drei Situationen hatten die Akteure Intentionen, die hinter ihren Handlungen standen. In Erstens will die Mutter ihre Tochter trösten und für sie dasein. In Zweitens will eine Familie die Mutter von einem Hörgerät überzeugen. Und in Drittens will die Freundin verstehen was los ist und die Nähe zu Ihrem Freund wiederherstellen.

Indes ist sichtbar, dass die erzielten Effekte nicht den Intentionen der Akteure entsprechen. In jedem dieser Fälle wurde also nicht erreicht, was erreicht werden sollte. Das bedeutet, dass die jeweilig ergriffenen Handlungen nicht dazu geeignet waren, die jeweils ersehnten Effekte zu erzielen. Hätten andere Handlungen zu besseren Effekten? Wie wäre es zum Beispiel gewesen, wenn die Mutter in Erstens das Kinderthema nicht so groß und omnipräsent gemacht hätte? Oder die Familie nicht einen Druck erzeugt hätte, welcher der Mutter das Gefühl der Selbstbestimmung nimmt? Oder wenn die Freundin ihrem Freund mehr Raum gegeben hätte, die Dinge zunächst für sich selbst zu sortieren?

Sicher wären die Effekte andere gewesen. Und vielleicht hätten die Effekte mehr zu den ursprünglichen Intentionen gepasst. Es ist dabei nicht immer gesagt, dass es überhaupt eine Handlungsoption gibt, welche die gewünschten Effekte erzielt. Dennoch ist es wichtig, vorher über die Effekte nachzudenken, die das eigene Handeln haben könnte. Sie machen sich in wahrsten Sinne effektiver.

Ein Beispiel mitgedachter Effekte sind die Regeln konstruktiven Feedbacks. Demnach sollten wir bei Feedback mit Positivem beginnen und mindestens gleich viele positive wie negative Aspekte betonen. Warum? Damit die Person, die das Feedback erhält, sich wertgeschätzt, gerecht behandelt und motiviert fühlt. Auf Basis dieser positiven Emotionen wird sie empfänglicher für Kritik sein und diese eher zur tatsächlichen Verbesserung nutzen können. Hätten wir hart und ausschließlich kritisiert, würde die Person einen inneren Trotz fühlen, der ihr bei der Verwendung des Feedbacks im Weg stehen würde.

Feedback hat unter anderem die Funktion, Verbesserungen für das nächste Mal zu ermöglichen. Mit konstruktivem Feedback machen wir diesen Effekt also wahrscheinlicher. Wir haben unser Handeln vom Effekt her gedacht, statt einfach unserer Intention zu folgen.

Ein komplexeres Beispiel sind die Feedbackregeln, die Lehrende ihren SchülerInnen gegenüber beachten sollten. Ich will Schülerin x motivieren, also lobe ich sie so oft wie möglich denken Sie vielleicht. Wenn Sie es übertreiben und auch bei sehr leichten Antworten schon loben, tritt jedoch kein guter Effekt ein: Die Schülerin gewinnt dann den Eindruck, dass Sie ihr prinzipiell nicht viel zutrauen und zur Kompensation loben. Dies war natürlich nicht Ihre Intention, aber halt der durch Ihre Handlungen erzielte Effekt.

Think effect, not intent ist meiner Meinung nach ein Killer-Konzept. Ein Konzept also, dass eine breite Anwendbarkeit hat und das Leben einfacher machen kann. Es ist indes nicht so leicht umzusetzen: Gehen wir nochmal in das Beispiel mit der Freundin, deren Partner sich langsam von ihr entfernte. Ihr Handeln war in diesem Fall eigentlich eine reflexartige Reaktion, die aus ihren emotionalen Bedürfnissen heraus entstand. Vielleicht hat sie im Laufe der Entwicklung sogar gemerkt, dass ihr Handeln sich eskalierend auf die Situation auswirkt, aber sie konnte nicht anders. Weil es zu wichtig war und ihre Emotionen zu stark. Sie war sich selbst ausgeliefert. Wir müssten uns in diesem Fall über tief in uns angelegte Handlungsmuster hinwegsetzen, um andere Effekte zu erzielen.

Think effect, not intent macht außerdem deutlich, wie wertvoll Erfahrung sein kann: Je mehr Erfahrung wir haben, desto besser können wir die Effekte unseres Handelns vorausahnen. Erfahrung ist in diesem Sinne ja nichts weiter als die Erinnerung an durchlebte Handlung samt der Auswirkungen, auf die wir zurückgreifen.

Denken Sie an den Effekt, den Ihre Handlungen haben. Folgen Sie nicht einfach Ihren Intentionen.

 

 


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